35 Jahre Café Bauturm

Am 29.9. feiert das Cafe im Bauturm seinen 35. Geburtstag – mit Ausstellung Rund um das Café Bauturm

Texte zur Ausstellung

1. Titelbild

Wie soll man etwas nennen, was aus der „Wortlosen Geschwätzigkeit des Künstlers“ entstand, und über intensive Freundschaften und Lieben sich hinentwickelte zu „The worst is yet to come“. Ein Ende auf jeden Fall ist nicht in Sicht. Und die drei Menschen auf dem Bild sind Ernst, mein Ziehvater und abgesehen davon berühmter Verleger, Dani, zu diesem Zeitpunkt meine Assistentin (was hat uns da geritten?), und natürlich der Mann zugleich mit und ohne Schlips, zu diesem Zeitpunkt noch sogenannter Cheflektor für Wahnsinn und Memorabilia …

2. Dani

Dani ist derjenige Mensch, diejenige Menschin, wegen der das alles begann. Es hat nicht viel Sinn, über die vielen Jahre einer Freundschaft zu sprechen, die sich über viele Kontinente und Entwicklungen hin erstreckte. Erklären kann ich sie sowieso nicht. Aber eines Tages kamen ihre Eltern Erich und Gaby sowie ich auf die Idee, ihr zur Erweiterung ihres Lebensweges ein Café zu errichten. Selten war ich Teilnehmer und Gegenstand solchen Missverständnisses. Das alles verblasste dann aber, da sie nicht allzu lange nach Türöffnung starb – was ich bis heute weder verstehe noch gut finde. Sie war überall und nirgends zugleich, und ist das natürlich bis heute.

Insofern auch

3. Erich

Danis Vater, wegen dem das auch alles begann. Ein Architekt, dessen Weltbild sich nicht in Formen verlor, sondern in Menschen. Und davon scharte er große Mengen um sich. Und weil er im Himmel ist, schaut er vom Lüftungsrohr herunter.

4. Bauturm – Signet

Das Signet selbst ist natürlich das stilisierte Chrysler-Building aus New York, und mal im Ernst: Wenn man „Bau“ und „Turm“ hört – wie lange braucht es, bis man an das Chrysler-Building denkt? Keine 10 Sekunden. Und ab jetzt nur noch 3 Sekunden. Das Bauturm-Signet als Tafel stammt von Henrike Müller, einer sehr individuellen Freundin, mit mittlerweile ganze Häuser verändert.

Das Bauturm-Café kommt in Wahrheit aus San Francisco. Es gab dort ein kleines verschrammeltes Familien-Café in North Beach, mit höchstens 14 Sitzen, einer kleinen Bar, an der man Sandwiches, Kaffee, Wein in Gläsern und Bier in Flaschen kaufen konnte, und es war klar, dass das ein Vergnügen von Freunden war – und es war der Himmel. Das wollten wir auch hinkriegen – also: wennschon, dennschon.

Und kaum hatten wir hier in Köln angefangen, hörten wir von Alice Waters aus Berkeley und ihren Lebens- und Küchenideen, und schon fingen wir an, so viel wie möglich Eigenes zu produzieren. Das kleine Café dort drüben gibt es immer noch, und viele Menschen, die dort angefangen hatten zu arbeiten, haben dann später vergleichbare Cafés aufgemacht. Dazu gehört in gewisser Hinsicht das hier. Und so ist es kein Wunder, dass ein Gast vor einiger Zeit sagte, dass das Bauturm genau genommen gar keine Gastronomie sei, dass es nur etwas gebraucht haben, bis er das formulieren konnte.

Als das hier alles anfing, 1988, lebten wir fast alle gewissermaßen in kapitalistisch- jugendlicher Unschuld, die dann 1989 zerbrach: Das normale Leben begann nach 1989 in größerem Rahmen, und wir entwickelten langsam die Probleme, die alle anderen auf der Welt auch hatten, konnten uns hinter nichts mehr verstecken – und das große Vergnügen kam an ein Ende. Das heißt nicht, dass davor alles in Butter gewesen sei, ganz im Gegenteil, aber es hatte mehr Freude gemacht. 1988, der Höhepunkt der Disco-Queens, wurde dann vor etwas abgelöst, in dem Rentenversicherungen, Lebens-Angst, Berechenbares und Verschwiegenes, seltsames Um-Sich-Schauen und vorsichtig Geflüstertes langsam die Oberhand gewannen. In dieser Zeit war das Café Bauturm, auf der Aachener Straße fast ganz allein, ein Lichtblick, der langsam an Strahlkraft gewann, ein gehüteter Ort menschlicher Beklopptheit, der dann auch nicht umsonst immer mehr Künstler anzog. Und so liefen künstlerische Wogen die Aachener Straße entlang, fast unbemerkt von allen außer von uns, und verliefen sich dann auch wieder, – es kann schon sein, dass in der Aachener Straße kein Raffael oder Archimedes entstand, aber wir hatten sicher mehr Spaß als die Jungs damals.

Aber nichts von dem, was heute hier steht, wäre ohne Wolfgang und Christian (und später Stefan) überhaupt ins Leben gekommen, die nämlich mit Schweißgerät, Stromprüfer und Stichsäge noch die letzte Unwirtlichkeit vermenschlicht haben. Auch wenn man sie nicht sieht, sind sie doch überall vorhanden.

5. Achim

Es ist mir etwas peinlich, aber ich gehöre nun mal dazu. Also: Hier. Wie man gut erkennt, steht man vor einem etwas absurden Großstadt-Bewohner. Und wenn daran etwas bemerkenswert war, dann: Das Einzige, was ich je gerne tat, waren Malen, Kochen, Musik machen. Unnötig zu sagen, dass ich weder koche noch male, noch Musik mache. Die Schwierigkeit liegt dann darin, seine Erfüllung darin zu finden, dass man das, was man macht, versucht, so gut wie möglich zu machen. Das hatte schon meine Großmutter gesagt.

Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass es Jahre gab, in denen das Leben eine einzige Party war.
Und was das Pailletten-Sakko angeht: Eines Abends war ich mit Freunden essen, die sich nicht sicher waren, ob ich mit diesem Sakko im Restaurant gerne gesehen

wäre, weshalb wir es im Wagen liegen ließen. Als wir zurückkamen, war der Wagen aufgebrochen, und die Jacke fehlte. Mit schlechtem Geschmack ist man nie allein.

Hierzu gehören auch die beiden hohen Rahmen im Eingang. Das Auffällige daran ist höchstens, dass sich damals auf der Straße niemand nach diesen Anzügen umdrehte. Es war eine andere Zeit, und Lucky Lasagne, man kann es nicht verschweigen, war damals mein „Nom de Guerre“.

6. Bauturm

Es ist völlig unfair, von Hunderten von Menschen über die Zeit nur wenige zu nennen, weil es Bilder von ihnen gibt – aber es ist auch notwendig, weil man sonst gar nichts dazu sagen könnte. Und der Anekdoten sind zu viele, als dass man sie erzählen könnte.

Nur einige Namen:
Petra und Martina, Gemälde von Jochen, Moni und Lizz, Tracy, Jochen, Thomas, Ina, Andrea, viele in der Fabrik, Bettina und Bärbel, Moni singt, Bettina unerkannt, Gruppe, Elke und Moni, ??? und Melika, Gruppe vor Stanton, Moni, Kris, Chapec, Thorsten, Bärbel, Lizz, Unbekannter unerkannt, Marathon vorm Bauturm, Silke, Gaby und Christoph, und vieles Unbekannte mehr …

7. Mobiles

Sich bewegen zu können, war immer wesentlicher Teil des erwachsenen Lebens. Ein Leben auf Achse. Unglücklicher- oder glücklicherweise waren die Fortbewegungsmittel nicht immer praktisch.

Die „Royal Gigglish“, einen alten Blecheimer und trotzdem unglaublich europäische Heimat, Baujahr vor 1914, haben wir zu vielen Freunden (allen voran Wolfgang und Christian, Piotr, Niko, der dicke Fritz) über ein Jahr grundrestauriert, und dann noch viele Jahre weiter, auf vielen Wasserwegen. Laura war immer dabei. Christian und Niko fuhren das Ding auch als Cabriolet.

Der orange Kübelwagen fuhr immer, wenn auch mit Hindernissen, und mehrfach durch Europa, den seltsamen Anhänger voller kleiner Schätze. Die 11CVs waren und sind wunderbare Erscheinungen aus anderer Zeit, die weiße Original-„Diva“ (siehe den Film) gehört immer noch zum Club.

Der Dodge Pick-up war ein liebenswertes Missverständnis aus San Francisco, entstanden an einem Abend voller Wein und Braten, war ursprünglich das Werkstattauto von Ferrari San Francisco, und fuhr wie ein Traum.

Die kleine „Le Sourire“ war dann tatsächlich die kleine Schwester der „Royal Gigglish“.

Albrecht und ich fuhren dieselben Rover, seiner weiß, meiner schwarz – und zerschrotteten sie innerhalb ein und derselben Woche, er im Nebel auf der Autobahn, ich im Regen, mit einem Sturz von einer Brücke.

Die CX-Breaks waren im Unterschied zu ihrem Ruf fantastisch zuverlässig und waren einfach irgendwann alt. Leider.

Das blaue Camp-Mobil – was soll man sagen? Es wohnten und fuhren viele Menschen damit, und wenn es einem versprochen hatte, irgendwo anzukommen, dann tat es das auch. Hätte man nicht mit gerechnet.

Durch die vielen Aufenthalte in den USA gab es natürlich viele Autos dort, von völlig durchgeknallten Volkswagen bis zu den damals in Europa noch unbekannten Vans, wie gebaut für lange Touren.

8. Freunde des Hauses

Von vorneherein war das Café Bauturm ein Bezugspunkt vieler Menschen – und von noch viel mehr Menschen. Es ist nicht möglich, sie alle aufzuzählen, und von fast allen gibt es natürlich keine Bilder, denn wer macht mitten im Leben schon Bilder? Und damals gab es keine digitalen Bilder – ein Foto war immer Arbeit und teuer. Also sind das alles Zufallsbilder, abgebildeter Zufall.

Bettina, Ted, Maria, Hans, Henny haben eine Aufgabe erledigt, Christian schmückt seine Umgebung, der Teufelsgeiger summt eine Melodie und Rotkäppchen hört zu, Barbara wirkt in Rot, Woessner veredelt eine Gartenparty, Chapec, wie er immer ist, Gabi aus anderer Zeit, Maria und Beate aus ganz anderer Zeit, Omi Regina und Sascha aus vorzeitlicher Zeit, Nick das reine Vergnügen, Ingo und Dirk, das junge Gemüse, Brigitte in Achims Blue Suede Shoes, George der weise Wegweiser, Jörg „Hopi ist Hammer“, Norman, die Grinsekatze von der Westküste, Paulchen singt, Rosi kann jodeln, Michael der Vielsprachige, Dani und Niko aus den weiten Leben, Nina, Max der Mac und Kyra, Fritz und Renate, Peter, … es ist schon augenfällig, dass alle so wirken, als hätten sie immer einen Gang extra eingelegt. Hatten sie auch. Viele Bilder entstanden in der ersten Fabrik in Nippes, die es immer noch gibt, manche in der zweiten Fabrik in Ehrenfeld, die kein gutes Schicksal hatte und in einer Party endete, in der jemand um sich schoss.

Wir wussten es nicht, aber wir hatten ein im Großen und Ganzen sehr glückliches Leben geschenkt bekommen.

9. Freunde des Hauses

… und noch mal der Teufelsgeiger, den man hier besser erkennt, Marianne und Nina in Schiphol begleiten eine schmucke Alkoholleiche, George und Tonka, Uli beim Frühstück, Rotkäppchen, Regina hinter dem Rücken von Erwachsenen, Rüdiger vom Feld amüsiert sich mit Gaby, Marianne und Johannes kaufen ein Ticket, Bell denkt nach, Fritz ist zu seiner Mumie geworden, Benjamin fragt sich, wie er hier wieder rauskommt, mehrere alte Menschen überlegen, wo ihre Fotos hingekommen sind (und ich weiß es), Ted singt traurige Lieder, und Bettina hört zu, und seltsames Schuhwerk war genauso angesagt wie außergewöhnliche Herrenbekleidung bei Wunderpartys. Wie ich ja sage: ein geschenktes glückliches Leben. Und noch viel mehr davon.

10. Bauturm

Melika, Nico, Desiree, Nino mit Nase, Britta, Bettina, Chapec und ??, David, Valerie und Harry, Bauturm außen mit Designerstühlen, Babeth und Yogi, stumme Bar, ???, Sabine, Britta und Dirk, Claudia und Nino, mit Kindern, Moni, Ina und Andrea, Britta, Dirk, Lady Di, Freundin von Kerstin, Erich auf dem Weg, Moni und Britta, Heike Griesbrei, Lili und Chapec, Bettina vor dem Café mit Tanztuch an der Wand …
Würde man mit Anekdoten anfangen, es gäbe kein Ende.

11. Bettina Gruber

La Bibliothèque d’hier

Ein betretbares und fast lesbares Gesamtkunstwerk.

12. Bettina Gruber

König, angelnd

Martin Augenstein sitzt hier auf dem Bild mit Amsel, der grauen Eminenz – Amsel und Bettina haben viel zusammengearbeitet.
Martin Augenstein war und ist einer der bemerkenswertesten Zeichner und Maler, die ich je kennen gelernt habe. Seine wahnsinnigste Ausstellung ist immer noch im Bauturm, da er eines Abends einfach Porträts und Gedanken zu allem Möglichen an die Wand skizzierte, in kleinen Kästchen, und es war sehr erheiternd und seltsam. Als dann die Wände zu oll wurden, mußten wir das Café einmal wieder streichen – und es brach uns das Herz. Alle Skizzen sind jetzt für immer an der Wand.

13. Der dicke Hotei
ist kein Buddha, und wurde später von Gaby und Achim der Bibliothek hinzugefügt. Er galt als so dick, weil er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Sorgen der Menschen mit Essen zu bekämpfen, sie gewissermaßen aufzufressen. Das macht ihn im Fernen Osten zum beliebtesten Hausgast.

14. Die Großphotos auf den Wänden
beziehen sich ebenfalls auf diesen Eindruck verlebter Pracht – immer dort, wo man hinter dem Ist-Zustand noch die alte und schöne Idee erkennt. Fast wie unsere Leben.

15. Was der Tag mit sich bringt 1

Es hat keinerlei Sinn, darüber verschiedener Ansicht zu sein, was Kunst ist oder etwas anderes oder gar nichts. Für uns ist alles Kunst, was Dich berührt und wenigstens ein bisschen verändert, ob davor oder dahinter. So erklären sich diese

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Rahmen – Liegengebliebenes, Bewusstes, Humorvolles, Unbewusstes, Skizzen, Späße, kluges und dummes Zeug, und alles: Kunst.

Vieles musste zu Fuß erledigt werden, aus Spaß, wenn man sich nachts auf den Rückweg machte, oder aus Geldmangel, oder überhaupt, weil die Hunde mit wollten – und so entstanden Bilder der Welten, durch die man ging. Ein Leben voller Menschen und Wunder.

16. Was der Tag mit sich bringt 2

Au Backe Verlag (mehrere Stücke, auch im hinteren Raum)
Der Au Backe Verlag war ein so humorvolles wie bizarres Konstrukt von
Bettina Gruber, Uli Tillmann, Maria Vedder, Wolfgang Woessner, Johannes Grüter
Der Au-Backe-Verlag trat mit dem Film „Weltstadt Köln“ (in dem Kölner Bürger sich live andere Kölner Bürger anschauten, gegen Eintrittsgeld) auf dem Kunstmarkt Köln auf, Dr. Grüter von Brötchen erfand das „Doppelmilchglas- scheibenprinzip“, Frau Gruber und Frau Vedder, Herr Tillmann und Herr Woessner entwickelten ungewöhnlichste fotografische Aktionen, Sequenzen und Bilderwelten, und alle wurden in ihren Welten sehr bekannt. Was wirklich bizarr ist: Es gab noch einen anderen Au-Backe-Verlag im Süddeutschen, der u. a. Publikationen zu Lifestyle und Gesundheit herausgab.
Eine ihrer Aktionen war die Veränderung der Menschen durch eine Pfennigs- Sonnenbrille – und siehe da: Funktioniert.

17. Was der Tag mit sich bringt 3

Bell mit seinen Bären, Klaus Gaidas Moderne Kunst nach 1980, Optionsscheine des Hermes Internationales Bankenkonsortium der Gruppe Minus, Bettina und Freitag, Heidelbachs Hundesessel, Ulis Nackttanz, Teds Gesang, und Leben über Leben.

18. Was der Tag mit sich bringt 4

Wir kommen aus einer anderen Welt

Wer 1988 35 Jahre alt war, der bezog sich in seiner ganzen jugendlichen Entstandenheit auf Dinge, die jetzt schon lange nicht mal mehr vorstellbar sind: Roman und Film „Die sieben Ohrfeigen“, seinerzeit absolute Kassenschlager, sich langsam verschließende Nachtclubs aus den 60ern (der „Goldene Spiegel“ lief noch sehr lange), verklemmte Erotik hinter seltsamen Strümpfen, singende Papierschallplatten im Telefunken Musikus, die ersten farbigen Versandkataloge, eine Zeit, in der ein jüngerer Millowitsch noch auf der Straße zu sehen war, und Jupp Schmitz (Wer soll das bezahlen?) bei Millowitsch auftrat – das Analoge war derart analog, dass es digital noch nicht einmal gab. Wir kommen eben aus einer anderen Welt. Auch wenn man es uns nicht ansieht.

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19. Was der Tag mit sich bringt 5

Alles hat seine Geschichte, aber insbesondere zum Gedicht „Ich Negerkind, ich nackiges“ können wir sagen: Wir wurden wegen dieses Gedichts in unseren Karten schon 1991 wegen angeblichen Rassismus angezeigt, hat schon damals nicht funktioniert, weil irgendjemand bei Amte offenkundig Sinn für Pointen hatte. Alle diese Seiten zeigen einfach nur den Willen zur Kommunikation.

20. Was der Tag mit sich bringt 6

Impressionen eines Schreibtischs

Porträts, Tattoos, Tagebuchseiten von Künstlern, wasserlösliche Abreibebilder, Skizzen, Aquarelle, Prints – das alles und noch viel mehr lag im Verlag auf meinem Schreibtisch, weil andere es dort gelassen hatten, und bestimmten so meine Tage.

21. Was der Tag mit sich bringt 7

Grünfeld und Matisse, Johannes‘ Gruppenbild mit Familie, Was man mit Hunden falsch machen kann, Buntstifte verkehrt herum, Augensteins Bauturm-Kamin zur Party des schlechten Geschmacks, Bells Schloß Käsekuchen, Bettinas Karten-Serie, Konzept-Engel, ein Nagelbuch, Bettinas muffig-heitere Skizzen von Hunden

22. Was der Tag mit sich bringt 8

Colette

Colette nannte sich Colette natürlich nach Colette, und ist eine der bemerkenswertesten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts – bis heute. Durch Zufall und Glück lernte ich sie kennen, und damit Seiten des Kunstmarkts, die mir bis heute unheimlich sind. Ihre Kunst macht Spaß, und ich war verblüfft, daß sie neben Bettina eine der ersten „ernsthaften“ Künstlerinnen war, die das Café Bauturm toll fanden, und dort Ausstellungen veranstalteten.

Außerdem gut zu erkennen: Ernst, mein Ziehvater, sein bester Freund Andreas, mein Ziehbruder Daniel, und die Fabrik 1, in der so viel entstand.

23. Was der Tag mit sich bringt 9

Ein Abend im Café, aufgeschrieben von einem Gast an der Bar, am nächsten Tag als Brief im verschlossenen Kuvert abgegeben. Was für ein Geschenk.

24. David Smithson

Barracuda

David stammte aus den USA, war über Italien nach Deutschland gekommen, ein durch und durch handwerklich ausgebildeter Maler und Bildhauer. Zuerst gemeinsam mit Chapec, baute er lange Zeit die tragenden Metallringe für Bettinas

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Leuchter aus zerbrochenen Materialien, malte die Decke im Café Feynsinn (wo auch die ersten Leuchter hängen) und vieles mehr. Bekannter wurde er mit den „Schaltmustern“, welche er über seine Objekte legte. Sein „Barracuda“ entstand ursprünglich für das erste „Königswasser“ um die Ecke in der Brabanter Straße.

25. Igor Tillmann

Little Drummer Boy

Bis heute ist mir unklar, wie Igor dieses Bild überhaupt machen konnte, ohne sich mit den Trommlern anzulegen.

26. Uli Tillmann

Brat und Achim, eingezwängt

27. Berthold Bell

Bells Palmen- und Bärenbilder waren und sind Kölner Signaturen

28. Bettina Gruber

Porträt of the Artist as a Young Man

Bettina war von Anfang an Teil dessen, was sich Café Bauturm nennt. Ihre Ausstellungen waren teils legendär. Wie in Köln üblich, haben nur Menschen von außerhalb verstanden, dass hier eine ungewöhnliche Künstlerin lebt.

29. Bettina Gruber

Porträt vor dem Frühstück

30. Babeth Vanloo

Andreas erzählt vom gestrigen Abend

Babeth, eine weit gerühmte Filmerin (u. a. Schwarzenegger, Beuys u. a.) war immer schon Teil unserer Leben, und kam tatsächlich zur Eröffnung des Cafés extra aus Amsterdam, wo sie bis heute lebt. Andreas war der beste Freund meines Ziehvaters und lebte ebenfalls in Amsterdam – bis vor Kurzem, da er nun nicht nur Amsterdam, sondern auch unseren Horizont verlassen hat. Von Zeit zu Zeit tranken die beiden einen Kaffee miteinander, wobei ein Teil ihres tiefen Grundverständnisses darauf beruhte, dass sie Buddhismus lebten. Und Andreas war dafür berühmt, mit welchen Handbewegungen er seine Erlebnisse schildern konnte.

31. Berthold Bell

Norman Junge schaut von oben zu

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32. Ferdinand Kriwet

Y ounguy

Ferdinand war – glaube ich – genau einmal im Bauturm, aber seine Kunst, verspielte Wortkunst auf vielen Material-Ebenen, war erheblicher Teil unseres Bauturm-Lebens.

33. David Smithson

America

34. Jochen Scheid

„Kunst“

Jochen war Teil des Café Bauturm, und seine Samstagabende mit ausgewählter Country-Musik waren Treffen von Freunden. Seine Art der Malerei war sogar von künstlerischen Freunden (die ja nie zu den besten Kritikern gehören) anerkannt. Außerdem war er Teil der Kunstgruppe Minus, die im Café viele gemeinsame Ausstellungen und Kunst-Ereignisse verfeierte. Sein Bild „Kunst“ entstand zu einer Ausstellung, in der er Motive aller Art in „Weiß auf Weiß“ abbildete.

35. Klaus Kampert, Theo Lambertin, Gruppe Minus

Achim

Eines Tages riefen sie an, und sagten, wir müssten uns ganz dringend treffen. Ich lief hinüber, sie fotografierten alle, und Monate später stand plötzlich diese Tafel im Café. Was für ein Geschenk.

36. Gruppe Minus

Hermes Internationales Bankenkonsortium

Mehr dazu in den Texten zu den Vitrinen

37. Klaus Kampert

Paul

Klaus war ein Meister der Kettensäge: Eines Tages brachte er Paul mit und setzte ihn neben sich auf einen Barhocker, damit er sein erstes oder letztes Bier nicht allein trinken müsse. Da blieb Paul dann sitzen.

38. Bazon Brock

Der Tod …

Bazon Brock lernte ich kennen, als wir gemeinsam mit Ernst einem seltsamen Ereignis in Kassel unterzogen wurden, einem Gedächtnisfest an den letzten Dackel des letzten deutschen Kaisers, Erdmann, der in Kassel begraben liegt.

Brocks hohe Intelligenz befähigt ihn, stets auf einer dünnen Linie zwischen tiefer Philosophie, Kunst und Ironie zu wandern.

Aus seinen Texten: „Es geht um die scheinbare Naturnotwendigkeit, daß wir alle sterben müssen. Müßten wir

sterben? Wer einen Arm gebrochen hat, eilt zum Arzt, der die durch Anwendung des „Kraft mal Kraftarm =

Last mal Lastarm-Gesetzes“ produzierte Kalamität repariert. Der Arzt, der einen gebrochenen Arm heilt, hebt

ein Naturgesetz auf. Er schafft es nicht ab, es gilt weiter; aber er hebt es auf durch die Kenntnis der Resultate

gesellschaftlicher Arbeit, der Medizin. Alle Naturdeterminationen sind von der gleichen Qualität. Das den

Leuten beizubringen, ist unser Ziel. Denn dann werden die endlich darauf dringen, daß der Tod nicht mehr als

eine unumgängliche Notwendigkeit angesehen werden darf. Und sie werden sich dafür einsetzen, daß endlich die

gesellschaftlichen Arbeitsanstrengungen zur Abschaffung des Todes verwandt werden

 

39. Igor Tillmann

Ingo Kümmel auf dem Weg

Igor war und ist eine Disco-Legende in Köln, sein Franzmann-Rap ist bis heute ein Highlight. Außerdem war er einer der wenigen Menschen, welche sich in Deutschland mit der 3D-Fotografie beschäftigten. „Ingo Kümmel“ war eine seiner ersten Aufnahmen mit der Nimslo, die bis heute als die beste 3D-Kamera gilt. Ingo Kümmel war einer der ausstrahlendsten Galeristen Kölns, einer der Begründer dessen, was später die Galerie-Szene war – und noch vieles mehr. Die Aufnahme entstand, als er auf seiner Geburtstagsfeier im alten Wartesaal zur Toilette krabbelte.

 

40. Gruppe Minus

Was haben wir gelacht

Goldene Schrift auf grauem Marmor

 

41. Bettina Gruber

Die Leuchter
Der klare Leuchter: Plaisir d’Artiste
Der bunte Leuchter: Passion d’Artiste
Bettinas Leuchter (Der schöne Schein) entstanden teilweise aus einer Ausstellung von Objekten „Manchmal genügen schon ein paar Kleinigkeiten“, in denen immer ein winziger Mangel ein großes Objekt verstörte. Von da war es kein großer Schritt zu großen Mengen an Scherben, wobei die ersten Leuchter für das Café Feynsinn entstanden – es entstand dort der Eindruck verlebter Pracht. Die größeren Leuchter bezogen sich dann mehr und mehr auf ihre direkte Umgebung, und so ist es kein Wunder, dass sich mehr und mehr Gegenstände des Alltags in ihnen wiederfanden.

 

42. Vitrinen

Treue Freunde, Brat und Freitag – Doppelbild aus Polaroids Colette, oder auch „Justine and the Victorian Punks“ Bettina Gruber, Hinterglasalbum
Uli Tillmann, Verführanleitung

Horst und Barbara Hahn, Napoli 1890
Bettina Gruber, Unter Eskimos
Bettina Gruber, Knee-Tremblers, weiß auf weiß gedruckt Bettina Gruber, Sinn und Trost
Klaus Renner, Hommage a Oberammergau
Lucky Lasagne, Reisebriefe eines Artisten

Herbert Burkert und Steffen Mismahl, 33 Ways to say Goodbye
Gruppe Minus, Edition zur Ausstellung „Trockener Humor“, Teppichbodenstücke der Hallen zum ersten Kunstmarkt Köln 1967
Gruppe Minus, Eine Geschichte
Gruppe Minus, 12 Kölner Stangen
Theo Lambertin, Gehirnschande
Colette, The Bavarian Adventure
Berthold Bell, Das Restaurant am Ende aller Strassen
Gruppe Minus, Exit Art: Pole Position
Theo Lambertin, Old Fashioned Tricks
Uli Tillmann, Abrechnung mit Fräulein Muckenheim
Bauturm-Team, Ferrieres 1996
Bettina Gruber, A Man’s Room is a Man’s Voyage

Ein paar Worte zur Gruppe Minus:

Ab irgendeinem Moment begannen einige Kölner Künstler, sich immer mal wieder im Bauturm Café zu treffen – und dann zu überlegen, den Raum einfach zu ihrer Galerie für die heiteren Aspekte ihrer Tätigkeiten zu machen. Das taten sie über viele Jahre, zu meiner großen Freude, wegen des versammelten und völlig ungebärdigen Wahnsinns mit Methode, und – wie ich sagen muss – zur zunehmenden Erbitterung der verschiedenen Teams im Café. Irgendwann gab es dann eine Ausstellung, mehr schon ein Happening, zu dem das ganze Café umgebaut und vernagelt wurde, wobei dann die Belegschaft sagte: Entweder die oder wir. Wie immer bei Grenzerfahrungen gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, sondern wir mussten einfach dadurch. Nach solchen Momenten gibt es dann aber kein wirkliches Zurück.

Es tat mir entsetzlich leid, dass die Gruppe sich dann in die Welt orientierte, konnte es aber gut verstehen, und freute mich, dass einzelne Freundschaften zum Glück bestehen blieben.

Die Gruppe bestand aus
H.-P. Adamski, P. Bömmels, N. Breese, M. Caspers, F.-J. Heumannskämper, K.+M. Kampert, T. Lambertin, A. Oltarz, J. Scheid, D. Schneider, T. Strümpel

Danke, Freunde. Ich war stolz und dankbar, dass ich Teil eines so überschwänglichen Lebenskonzepts sein durfte.

 

43. Ausstellungs-Einladungen:

In unserem Archiv, einem verstaubten Karton, fanden wir viele Einladungen zu früheren Ausstellungen, und während wir sie durchgingen, fiel uns auf, was alles da war und was alles fehlt von dem vielen. Kann man nix machen. Das Wunder ist, dass soviel noch zu sehen ist. Und wenn man hinhorcht, dann erinnert man sich, und die Welt wird wieder etwas weiter.

Seit Längerem liegen nun die Ausstellungen in den Händen von Carla Harter, und so ist wieder eine neue Gruppe von Menschen und Künstlern in das Café Bauturm getreten.

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